Puh, schon fast ein halbes Jahr seit dem letzten Blogeintrag vergangen. In der Social Media-Notenskala ist das eine glatte Sechs. Nun denn:
Ausnahmsweise ereignete sich dieses Abenteuer nicht bei der Einfuhr, sondern bei der Ausfuhr von Mikroben, und zwar an einen Kunden in der Schweiz. In zwei Stunden von Karlsruhe mit dem Auto zu erreichen, liegt das Land für den Zoll auf einem anderen Planeten. Konkret ging es um drei Pakete mit einem Gesamtwert von über 1000 EUR. Der Experte weiß, dass damit eine Ausfuhranmeldung fällig wird. Klar, man könnte die Sendung natürlich auch als drei einzelne Pakete mit einem Abstand von je 1-2 Tagen abschicken und sich den ganzen Zirkus sparen, aber als gesetzestreuer Unternehmer will man ja den korrekten Weg gehen.
Als durchschnittlicher Nicht-Stammkunde verwendet man beim Zoll nolens volens das „IT-Verfahren ATLAS-Ausfuhr – Internetausfuhranmeldung Plus“, kurz IAA-Plus. Der Name lässt schon Schlimmes befürchten, und das System enttäuscht die Erwartungen nicht.
Schon beim Aufruf der Homepage finden sich aufmunternde „aktuelle“ Hinweise wie:
Aufgrund einer Aktualisierung des Firefox-Browsers, durch die das Java Plugin deaktiviert wurde, kommt es zu Fehlern beim Loginversuch in der Internetausfuhranmeldung Plus (IAA-Plus). Bitte verwenden Sie daher die JAVA Version 1.6.31 oder einen alternativen Browser.
Nun gut, man kann von der IT einer Behörde nun wirklich keine Wunder oder gar brauchbare Ergebnisse erwarten, aber es ist doch irgendwie lustig, dass man aus Sicherheitsgründen ein mehrstufiges briefliches Anmeldeverfahren beim Finanzamt durchlaufen muss, nur um dann zur Nutzung einer unsicheren, veralteten Java-Version gezwungen zu werden.
Außerdem soll man noch einen speziellen Barcode-Zeichensatz installieren. Technisch erforderlich wäre das nicht, aber warum an den Anwender denken?
Also gut, nach einigem Hin und Her ist auch das erledigt, und wir können uns der Schönheit des Systems widmen…NICHT! Wer wissen will, wie das Internet vor 15 Jahren aussah, findet mit IAA-Plus einen lebenden Dinosaurier in freier Wildbahn. Geradezu ein Kompendium von Worst Practices, Jakob Nielsen würde schon beim Anblick Krampfanfälle bekommen.
Damit aber nicht genug, denn jetzt kommen wir trotz aller technischer Hindernisse zum eigentlichen Fachverfahren, der Ausfuhranmeldung. Was darf es denn sein?
Anmeldungen von Waren zur Überführung in das zweistufige Ausfuhrverfahren, auch für Erstattungsware
oder vielleicht doch lieber
Anmeldungen von Waren zur Überführung in das einstufige Ausfuhrverfahren
Da ist man auch als nicht ganz fachfremder Akademiker auf Hilfe angewiesen, die man aber natürlich nicht vom Zoll selbst, sondern von diversen IHKen bekommt, die freundlicherweise Ausfüllanleitungen ins Netz gestellt haben.
Um die Sache kurz zu machen: Selbst mit den Anleitungen ist das Ausfüllen einer Ausfuhranmeldung eine Kunst für sich. Wer würde als Laie vermuten, dass bei den Eigenschaften der anzumeldenden Ware auch solche anzugeben sind, die NICHT zutreffen, also z.B. „kein Kulturgut“ oder „enthält keine Hunde- oder Katzenfelle“?
Die Anmeldung ist also nach bestem Wissen und Gewissen ausgefüllt und an den Zoll übermittelt. Jetzt schnell die Mikroben ins Auto geladen und ab zum Zoll für eine eventuelle Warenbeschau. Im Großraumbüro „Ausfuhr“ nimmt sich ein Mitarbeiter sofort der Sache an, ruft die Anmeldung auf seinem Rechner auf, liest sie durch und fragt dann:
„Wollen Sie die Kartons per Paket verschicken?“
Der Profi bemerkt sofort die Fangfrage, denn der Zöllner hat schon an der Nummer der Ausgangszollstelle erkannt, dass DHL im Spiel sein muss.
„Ja.“
„Mit DHL?“
„Ja.“
Nun erhebt sich im Büro an allen umliegenden Arbeitsplätzen ein Gemurmel mit vereinzeltem Kopfschütteln, das nichts Gutes verheißen kann.
„DHL ist aber ein Ein-Paket-Versender.“
„Und das bedeutet…“
„Das bedeutet, dass der Kollege bei DHL Ihnen die Ausfuhr nur dann bestätigen wird, wenn alle drei Pakete gleichzeitig bei ihm eintreffen. Wenn er nur ein Paket findet, gehen die anderen beiden zu Ihnen zurück.“
„Hätte ich dann besser drei Zollanmeldungen gemacht, für jedes Paket eine?“
„Nein, das ist nicht erlaubt.“
„Und was soll ich da jetzt am besten machen?“
„Keine Ahnung, Sie müssen wissen, was Sie tun.“
Ein freundlicher Kollege vom Nachbarschreibtisch wirft noch ein, dass es mir ergehen könne „wie dem neulich, erinnerst du dich, dem sie die ganzen Pakete wieder zurückgeschickt haben“.
Da kommt Freude auf! Natürlich sind die drei DHL-Pakete längst gebucht und bezahlt. Also Augen zu und durch!
Auf jedem Paket sicherheitshalber noch große Vermerke auf die anderen beiden Pakete angebracht, bei DHL darauf geachtet, dass alle Pakete auf einem Wagen landen und nicht schon im Briefzentrum getrennt werden, und – Tusch – es hat funktioniert.
Nach dieser Feuertaufe fühle ich mich bereit, Wiederaufbereitungsanlagen für Nordkorea durch den Zoll zu schleusen, viel komplizierter als drei Kartons mit Spielzeug kann das ja auch nicht sein – solange man die korrekte Java-Version installiert hat.